Mobile App für mehr Biodiversität

Biodiv+

Projekt: Biodiv+

Projekt: Biodiv+ 1024 680 lucability.com

Branche: Nonprofit, Umweltschutz, Landwirtschaft
Auftraggeber: Biodiversitätsberater (Regierungspräsidium Stuttgart)
Meine Rolle: UX Research, Konzept, Information-Architecture, UI-Design, Testing
Herausforderung: Gamification-Ansatz in digitalfeindlichem Umfeld

Vorhaben

Das Projekt macht sich die Konzeption einer nativen iOS-App und die Umsetzung eines klickbaren High-Fidelity-Prototypen zum Ziel. Im Fokus standen motivationsfördernde Gamefication-Elemente. Es wurde nach Lean UX Methoden vorgegangen, Designentscheidungen wurden kontinuierlich mit potenziellen Nutzern evaluiert. Die dabei entstandene App heißt “biodiv+”. Wie der Name andeutet, soll sie zur Erhöhung der Biodiversität führen. Sie soll in der ökologischen wie konventionellen Landwirtschaft zum Einsatz kommen.

Wettbewerbsanalyse

Als potenzieller direkter Wettbewerber konnte kein bereits existierendes Projekt ausgemacht werden. Es existiert lediglich ein vom Leibniz-Zentrum für Agrarumweltforschung in Münchenberg entwickeltes, aber noch nicht veröffentlichtes Dokumentationssystem für Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen, das auf den Namen NAT-App hört. Im Gegensatz zu biodiv+ wird hier versucht den Nutzer durch Behördenkonformität zu gewinnen, wodurch sich Fördergelder beantragen lassen könnten. Doch die Behördenkonformität konnte bislang aus technischen Gründen nicht erreicht werden.
Als indirekte Wettbewerber kommen lediglich noch die verschiedenen Beratungsangebote in Frage, die jedoch eine relativ hohe Einstiegshürde haben und vom Landwirt umfängliche Einblicke in seine Betriebsweise einfordern.

Chancen und Herausforderungen einer Biodiversitäts-App

Chancen

  • Win-Win Situation schaffen
    Durch das Nutzen der App profitiert der Landwirt, indem er seinen Betrieb ökologisch aufwertet. Er gewinnt dadurch nicht nur an Ansehen in der Bevölkerung, sondern schafft die Grundlage für den Erhalt von Fördergeldern. Gleichzeitig profitiert die Umwelt von den umgesetzten Schutzmaßnahmen zum Erhalt der Biodiversität.


  • Sensibilisierung für Thema
    Selbst wenn der User nicht alle für ihn passenden Maßnahmen umsetzt, wird der Nutzer für ein Thema sensibilisiert, das ihm bisher vielleicht verschlossen blieb. Er erhält auf spielerische Art und Weise Informationen und wird regelmäßig auf dem Laufenden gehalten.


  • Niedrige Hemmschwelle
    Der User erspart sich Behördengänge, es sind keine aufwändigen Recherchen im Internet oder die Sichtung von abschreckend gestaltetem Informationsmaterial nötig. Zudem entstehen keine extra Kosten! Es sind nur wenige Klicks notwendig, die App ist installiert und durch das Smartphone jederzeit verfügbar.


  • Nachhaltige Motivation und Information
    Durch den Gamification-Anteil und die Anbindung an Forum und Community wird der Nutzer über längere Zeit unterhalten, motiviert und informiert.

Herausforderungen

  • Geringe Akzeptanz des Themas
    Der Schutz der Artenvielfalt hat für viele, vor allem konventionelle Landwirte, bislang noch keinen großen Stellenwert im betrieblichen Alltag eingenommen. An diese Zielgruppe heranzukommen ist schwer.


  • Große Skepsis gegenüber digitalen Technologien
    Selbst unter den ökologisch fortschrittlicheren und weltgewandteren Landwirten gibt es eine, im Vergleich zur Durchschnittsbevölkerung, größere Ablehnung von neuen technologischen Trends.


SWAT-Analyse

Projekt: Biodiv+ 1

Fokusgruppen & Interviews

Interviewt wurden Landwirte sowie Biodiversitätsexperten aus dem Regierungspräsidium Stuttgart. Die Ergebnisse aus den Interviews und Fokusgruppen wurden unter anderem dazu verwendet, um den einleitenden Fragebogen innerhalb der App zu entwickeln und um Konzeptionsschwächen zu eliminieren.

Die Fokusgruppe kam in der Phase des Verstehens des Nutzungskontextes zum Einsatz. Stattgefunden hat die Diskussion auf einem Demeter-Bauernhof im Landkreis Ludwigsburg. Das Thema des Gespräches wurde im Vorfeld bereits an alle Teilnehmer kommuniziert. Die gesprächsleitenden Fragestellungen waren: Wie sieht die Bereitschaft von Landwirten aus, mittels Smartphone-App, Unterstützung bei der Umsetzung von Maßnahmen zum Erhalt der Artenvielfalt anzunehmen? Welche Bedingungen sollten dabei erfüllt werden?
Um den potentiellen Nutzer zu verstehen und um dessen Arbeitsumfeld kennen zu lernen wurde außerdem die Frage diskutiert, wie Maßnahmen konkret auf diesem Hof aussehen könnten.

Ziele der Fokusgruppe

  • Gewinnung von benötigten ökologischen Expertenwissen
  • Informationen zur Zielgruppe
  • Wie hoch ist die Akzeptanz von  gamifizierten Apps bei Landwirten?
  • Wie werden moderne Technologien bereits in der ökologischen Landwirtschaft eingesetzt?
  • Welches Interesse könnten konventionelle Landwirte an der Umsetzung von Biodiversitätsmaßnahmen neben den Fördergeldern haben?

Farm Scribbles

Projekt: Biodiv+ 2

Personas

Mit Hilfe der quantitativen und qualitativen Daten aus Interviews und Fokusgruppen habe ich die drei Zielgruppenprofile Paolo (der Ökologische, 59), Jürgen (der Performer, 47) und Heinrich (der Stolze, 38) definiert. Hierdurch konnte ich mich besser in meine Hauptnutzergruppen einfühlen, was dabei half, die Ziele der App entsprechend ihrer Bedürfnisse zu priorisieren.

Informationsarchitektur

Basierend auf den Erkenntnissen, die ich durch die Fokusgruppe, Interviews, Recherchen, Konkurrenzanalysen und Card Sorting mit potentiellen Benutzern gewonnen habe, wurde die Informationsarchitektur und Navigation für biodiv+ entwickelt.

Projekt: Biodiv+ 6

Wireframing, Prototyping und Guerilla-Testing

Wireframes

Mit Low-Fidelity-Papierprototypen konnte die allgemeine Struktur der Anwendung leicht in Usability-Tests getestet werden. Durch Guerilla-Testing konnten ohne großen Aufwand die größten Schwachpunkte identifiziert und die jeweiligen Anpassungen vorgenommen werden.

Projekt: Biodiv+ 7

High-Fidelity Prototyp

Mittels Guerilla Testing wurde auf schnelle Weise in verschiedenen Phasen Benutzer-Feedback eingeholt. Dabei wurden willkürlich Probanden in einem Eis-Cafe gebeten mittels Think-Aloud Methode und SUS-Fragebogen Feedback zu geben. Hierdurch konnten beispielsweise das Onboarding präzisiert und der Home-Tab auf das Wesentliche reduziert werden.

Projekt: Biodiv+ 8

Visual Design

Das visuelle Design wurde in einem iterativen Prozess entwickelt, der von Moodboards über UI-Kit und zur ersten Version des Styleguides führte. Um eine optimale User-Experience zu gestaltenbberücksichtigt das visuelle Design eine Vielzahl von Prinzipien. Darunter Typographie, Gestalt-Eigenschaften, Raum, Hierarchie, Balance, Kontrast und Framing.

Projekt: Biodiv+ 9

Fazit

Dieses Projekt verfolgt das Ziel, ein Konzept einer Smartphone App zu entwickeln, das Betriebsleiter von Bauernhöfen von der Wichtigkeit und Notwendigkeit des Schutzes der Artenvielfalt überzeugt. Dabei stand von Anfang an während der Gestaltung der Anwendung der Nutzer im Fokus. Er und sein Nutzungskontext wurden zunächst durch die Methode Fokusgruppe besser kennengelernt. Hierdurch konnte sich der potentielle User mit eigenen Ideen und Gedanken an der Entwicklung beteiligen, und die Ausrichtung des Projekts entscheidend beeinflussen.

Beispielsweise galten in einem früheren Konzept der biodiv+ App die Biodiversitäts-Maßnahmen lediglich dem Erhalt der Wildbienen. Die Annahme, der Schutz der Wildbienen könne im ausreichenden Maße dazu führen, dass andere Pflanzen- und Tierarten ebenfalls davon profitieren, musste nach der Diskussion in der Fokusgruppe revidiert werden. Durch die Lean UX Methode Guerilla Testing und die Anwendung eines SUS-Fragenbogens, konnte eine gute Gebrauchstauglichkeit nachgewiesen werden.

Nichtsdestotrotz bestehen noch einige Unklarheiten, insbesondere bezüglich der Wirkung des Gamification-Ansatzes. Zwar wurden die Risiken durch paradoxe Effekte, bei der Implementierung der game-mechanics berücksichtigt, allerdings lassen sich mit einem High-Fidelity Prototypen keine Tests bezüglich der Auswirkungen auf die game dynamics nachweisen. Zum Beispiel ist nicht klar, ob der Nutzer wirklich keine Möglichkeiten des Cheatens findet.

Zudem sollte die User Experience durch zusätzliche Nutzertests und weiteren Methoden und Tools (zum Beispiel AttrakDiff) des User-Centred Design Frameworks evaluiert werden.

Verbesserungen für die nächsten Iterationen

  • UI-Optimierungen
    Bereinigungen von Inkonsistenzen beim Einsatz der Key-Color. Das Hamburger-Menu kann aufgelöst werden, die darin verstauten Funktionen können sinnvoll an den passenden Stellen eingeblendet werden. Die Suchfunktion sollte in die Tab-Bar, da sie häufig verwendet wird und hierdurch leichter erreichbar ist.


  • Weiterführende Recherchen notwendig
    Das Thema Biodiversität in der Landwirtschaft ist sehr vielschichtig, genauso vielfältig wie die potentielle Nutzerschaft der App. Deshalb ist es notwendig weitere Usability-Tests mit Fach-Experten und Landwirten durchzuführen.


  • Entwicklung eines voll-funktionsfähigen Prototypen
    Mit einem gecodeten Prototypen lassen sich im Hinblick auf die Gamification-Elemente und damit auf die Motivation der User wichtige Informationen erlangen.